THEATER MÜNSTER (2021)
Inszenierung MAX CLAESSEN / Bühnen- und Kostümbild ILKA MEIER / Video ANDREAS KLEIN
Die Idee ist ver­blüffend gut: Sich als zah­lungsunfähiger und über­schuldeter Zeitgenosse einen Geldkomplex attestieren zu lassen, zu hoffen, dass die Krankenkasse für die Thera­pie im feinen Sanatorium aufkommen wird - und der­weil auf ein Erbe zu speku­lieren, das die Schein-Ehe mit einem adeligen Schnösel einbringen soll. Genau das macht Übersetzerin Fell von Beinahe-Enden, die festge­stellt hat »Man braucht nicht besonders' viel Geld, um an Geld zu denken.«
Die Idee stammt aus einem Roman der Thomas-Mann-Zeitgenossin Franziska zu Reventlow. Felicia Zeller, die sich selbst „Wirtschaftsdra­matikerin" nennt, hat daraus nun ein Stück für das Thea­ter Münster geschaffen, ge­fördert durch das NRW-Pro­jekt „Neue Wege". In Müns­ters Kleinem Haus ist es als knapp zweistündiger, schrill-unterhaltsamer Abend zu er­leben, bei dem Kapital, Kon­sum und Psychotherapie ihr Fett abbekommen.
Regisseur Max Claessen nimmt Zellers Szenen-Kalei­doskop zum Anlass, weniger auf eine klare Handlungs­struktur zu setzen (die na­türlich immer durchscheint) als auf ein grelles Typen-Ka­binett, das bei Figuren wie Psychotherapeut Doktor Flachmeier oder dem quirligen Gründer Henry an Co­mic- und Stummfilm-Ästhe­tik erinnert. […] Im Mittelpunkt steht Ka­tharina Behrens als Feli. […] Sie dreht be­wundernswert die Klage-und Rechfertigungstiraden ihrer Figur durch die sprach­lichen Endlosschleifen, die Felicia Zeller mit ihren un­vollständigen Sätzen vorgibt. Auf erstaunliche Weise lässt die Inszenierung bei Heldin Feli die Therapie an­schlagen: […] In der von Regis­seur Max Claessen so gelieb­ten Video-Einspielung (An­dreas Klein) erscheint die ganze Gesellschaft in himm­lisch-unschuldigem Weiß wie geläutert […]  Ein Traum vom Glück? Den hat­te zumindest Autorin Felicia Zeller, die gemeinsam mit dem Ensemble anhaltenden Applaus kassieren konnte.
Harald Suerland, WN, 17. September 2021
© Oliver Berg
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